Analyse des tyrannischen Verhaltens von Landvogt Gessler in Wilhelm Tell

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Der zu analysierende Textabschnitt aus Wilhelm Tell

Der zu analysierende Textabschnitt stammt aus dem Drama „Wilhelm Tell“, welches von Friedrich Schiller verfasst wurde und 1804 veröffentlicht wurde. Das Drama thematisiert einen Konflikt zwischen der einfachen Bevölkerung und dem Adel. Die Kernhandlung umfasst die ausgehende Tyrannei der Vögte auf das Volk sowie die Geschichte des späteren Volkshelden Wilhelm Tell. Weiter Handlungsstränge sind die Liebe von Berta von Bruneck und Ulrich von Rudenz und der der Schwur auf dem Rütli, welcher nochmal die Auflehnung des Volkes verdeutlicht.

Der Textabschnitt im Kontext

Der zu analysierende Textabschnitt ist im dritten Aufzug in der dritten Szene lokalisiert und ist somit Teil des dramatischen Höhepunktes des Dramas. Zuvor wurde ein Streitgespräch zwischen Tell und seiner Gattin thematisiert sowie eine Art Liebesgespräch und einen Dialog zwischen Berta von Bruneck und Ulrich von Rudenz. Vor dem Abschnitt in gleicher Szene weigerte sich Tell, dem von Gessler aufgestellten Hut Reverenz zu erweisen. Die Knechte Gesslers, Leuthold und Friesshardt, wollen ihn deswegen ins Gefängnis bringen, als Gessler selbst die Szene betritt. Nach der zu analysierenden Textpassage kommt es noch zur Verhaftung Tells.

Gesslers tyrannisches Auftreten

Gessler tritt in der Szene sadistisch, herrisch und herzlos auf. 

Der Textabschnitt wird mit der Ankunft des Landvogtes Gessler eingeleitet. Gesslers Stallmeister ruft in das Volk „Platz, Platz dem Landvogt!“ (Z. 1855). Dieser Ausruf zeigt schon, für wie wichtig sich Gessler hält. Das Volk solle ihm den Weg frei machen und Respekt gegenüber dem Landvogt erweisen. Es ist ebenso eine Andeutung auf die Beziehung zwischen Gessler und dem Volk. Möglicherweise möchte Gessler sich vom Volk deutlich abgrenzen und jeglichen Kontakt zu diesem meiden. Dies lässt deuten, dass Gessler sich somit für etwas Besseres, das nicht dem Volke würdig ist, hält. Dieser Eindruck wird verstärkt, als er einen Söldner fragt, wer er sei (vgl. Z. 1857). Gessler spricht sein Volk auf herablassende Art an. Zuvor wird deutlich, dass zwischen Gessler und dem Volk eine distanzierte Beziehung herrscht und keine Bindung besteht. Dies zeigt die Textpassage Z. 1857-1859. Gessler fragt sein Volk, bekommt als Antwort aber nur ein allgemeines Schweigen. Dieses Verhalten seitens des Volkes zeigt wiederrum, dass das Volk sich vor Gessler sehr fürchtet und aus Angst vor ihm nicht zu seiner Frage kommentiert beziehungsweise antwortet. Auf Gesslers Frage antwortet Friesshardt respektvoll, duzt ihn aber. Auch das Auftreten von Gessler zu Pferde mit einem Falken auf der Faust, begleitet durch bewaffnete Knechte verstärkt den furchteinflößenden Eindruck des Landvogtes und lässt ihn ferne mächtig und herrisch erscheinen. Seinen Falken gibt er wortlos einem Diener, was seine Macht gegenüber seinen eigenen Leuten demonstrieren soll. Dies wird verstärkt, als er sich bei Friesshardt nach dem Grund für dessen Hilferuf erkundigt. Als dieser das Verweigern Tells erläutert, wendet sich Gessler ohne Reaktion auf seinen Knecht direkt an Tell und unterstellt ihm mangelnden Respekt vor dem Kaiser, was ihn streitsüchtig erscheinen lässt. Zuvor hatte Tell dem Hut den Ehrengruß versagt, was eine Pflicht für alle Bürger ist. Gessler interpretiert aus diesem Verhalten eine Verachtung, die von Tell ausgeht, da Gessler ein Repräsentant des Kaisers ist. Er schlussfolgert, dass Tell nicht nur den Kaiser, sondern auch ihn selbst verachte (vgl. Z. 1865 ff.). Gessler reagiert übertrieben und wirkt ziemlich eingebildet und arrogant. Er selber sieht sich schon als den zukünftigen Kaiser.  Des Weiteren kontrolliert und prüft Gessler sein Volk (vgl. Z. 1868). Der Hut dient nur zur Prüfung des Gehorsams. Tell habe sein böses Trachten dem Landvogt verraten (vgl. Z. 1869). Auf Tells Bitten um Gnade reagiert Gessler herausfordernd („Du bist ein Meister auf der Armbrust“ (Z. 1874)) und mit einer rhetorischen Frage (vgl. Z. 1875). Gessler scheint keinen einzigen Moment daran zu denken Tells zuvor erfolgte Entschuldigung anzunehmen. Statt dessen sucht er die direkte Konfrontation, mit der Intention seine Machtposition zu demonstrieren und Tell als einfachen Mann mit seinen Fähigkeiten bloßzustellen. Als sich Tells Sohn Walther mit ins Gespräch einbringt, fragt Gessler ob Walter Tells Sohn sei. Anschließend arbeitet Gessler erneut mit einer Frage (vgl. Z. 1878). Gessler treibt es auf die Spitze, als er fragt, welches Kind Tell mehr möge, was angesichts des Eltern-Seins eine Unverschämtheit und Frechheit darstellt.  Es zeigt Gesslers nicht empathisches und einfühlsames Verhalten, da er nicht nur in der Lage ist, sich in einen Vater hineinzuversetzen, sondern ihm auch wichtige emotionale intelligente Fähigkeiten wie Empathie fehlen. Tell reagiert sehr anständig (vgl. Z. 1881), was Gessler im Kontrast dazu noch unbarmherziger erscheinen lässt. Nun verlangt der Landvogt, dass Tell einen Apfel vom Kopf seines Sohnes treffen solle. Gesslers Intention ist ein möglicher Racheakt an Tell, da Tell Gessler zuvor schwach gesehen hat. Außerdem solle Tell seine Kunst vor Gessler bewähren (vgl. Z. 1884). Das Volk reagiert erschrocken. Tell reagiert sehr aufgebracht und an dem hypotaktischen Satzbau wird deutlich, dass er leicht verwirrt ist beziehungsweise ihm viele Dinge durch den Kopf gehen. Trotzdem erweist sich Tell immer noch als respektvoll, weil er Gessler immer noch siezt. Gessler wirkt sehr entschlossen und stärkt seinen Entschluss mit den Worten „Ich begehr’s und will’s“ (Z. 1896). Vor allem das sehr stark konnotierte Verb „müssen“ unterstreicht dabei seinen gefassten Entschluss und wie erbarmungslos er seinen Will durchsetzt. Tell erwidert darauf, er würde lieber sterben, als auf sein Kind zu ziehen. Dies wirkt vor allem im Vergleich zu dem herrischen Landvogt sehr menschenbezogen und emotional, sodass dieser nur noch barbarischer erscheint. Der Landvogt wirkt immer noch entschlossen und zunehmend kälter und unmenschlicher (vgl. Z. 1899). Trotz Tells aufgewühlter und aufgebrachter Art, lässt sich Gessler von seiner Entscheidung nicht abbringen. Möglicherweise möchte er nun nicht als schwach –besonders vor seinem Volke- wirken, da er nachgeben würde und möchte seine Macht demonstrieren, indem er seinen (böswilligen) Entschluss auch wirklich durchzieht. Stattdessen wirkt er nun auch noch belustigt von Tell. Sein dominantes und aufforderndes Wesen zeigt, dass jener keinerlei moralische Grenzen wahrnimmt. Der Landvogt verspottet Tell, da dieser unschlüssig ist und Angst zeigt. Im letzten Satz Gesslers versucht er Tell zu ermutigen (vgl. Z. 1909 ff.), um sein Zielhaben durchzusetzen. Als deutlich wird, dass Gessler nicht spaßt und die Situation sehr ernst ist, greift Bertha von Bruneck ein. Sie spricht im Name des Volkes und wirft Gessler vor, er scherze, um ihn von seinem Vorhaben abzubringen und ihm auf implizite Weise moralisches Fehlverhalten vorzuführen. Gessler reagiert daraufhin sehr kühl („Wer sagt Euch, dass ich scherze?“, Z. 1913) und verdeutlicht erneut, dass er es sehr wohl ernst meint. Nun spiegelt sich sein Entschluss auch in seinen Bewegungen wider (vgl. Z. 1912). Er nimmt den Apfel zu Hand und verkündet „Achtzig Schritte geb ich ihm – Nicht weniger, noch mehr-„ (vgl. Z. 1912). Dies zeugt erneut auf welche sadistische und kaltblütige Weise er seine Macht demonstriert und zeigt erneut seine Entschlossenheit, die vermeintlich großzügig durchsetzt, da er Tell nun 80 Schritte anstelle von 100 Schritten gibt. Die zu analysierende Textstelle endet mit der Aufforderung „Jetzt, Schütze, triff, und fehle nicht das Ziel!“ (Z. 1917). Durch das Ausrufezeichen wird die Wirkung auf den Zuschauer verstärkt, so dass an diesen auf emotional dezente Weise appelliert wird. Die Szenenanweisungen verstärken das arrogante und skrupellose Auftreten Gesslers (vgl. Z. 1851-54). Gessler betritt die Szene mit einem Pferd, auf dem er sitzt. 

Symbolik und Hierarchie in Gesslers Auftreten

Dadurch wird eine Hierarchie hergestellt. Das Pferd demonstriert die Wichtigkeit des Landvogts und Gessler wirkt automatisch größer und guckt somit auf seine Untertanen herab. Dieses Auftreten verstärkt die Distanz zwischen ihm und dem Volk. Eine höhere Position symbolisiert Macht und zeigt das Machtstreben Gesslers. Es steht außerdem für hohe Wichtigkeit. Außerdem wird durch die Szenen Anweisungen klar, dass ein großes Gefolge von bewaffneten Knechten mitkommt. Dies zeigt nochmal sehr stark die Wichtigkeit Gesslers, da sie sozusagen seine Beschützer sind. Sie bilden einen Kreis von Piken um die ganze Szene. Das zeigt außerdem, dass Gessler eigentlich feige ist, da er so viele Beschützer braucht und nur in Scharen von bewaffneten Knechten unters Volk geht. Letztlich symbolisiert der Falke auf seinem Arm Gesslers Macht, sein Machtstreben sowie seine –vermeintliche- Wichtigkeit. Dieser imposante Eindruck wird durch die zuvor genannten Kriterien gestützt.

Fazit

Durch die soeben erfolgte Analyse wird deutlich, wie grausam sich Gessler verhält und wie er auf den Zuschauer und das Volk wirkt. Abschließend sollte zu der Deutungshypothese noch ergänzt werden, dass Gessler sehr entschlossen ist und sein Auftreten unter anderem auch durch seine Kleidung, Diener, dem Falken und dem Pferd gestärkt wird.           

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