Zeit, Gesellschaft und Erzählweise in Celas 'Der Bienenstock'
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Erzähltechnik und Zeitstruktur
Die Handlung des Romans Der Bienenstock (Originaltitel: La Colmena, 1951) von Camilo José Cela erstreckt sich über etwa drei Tage. Die zeitliche Abfolge der Kapitel ist jedoch bewusst durchbrochen:
- Kapitel 1: Erster Tag, Nachmittag
- Kapitel 2: Erster Tag, Abend
- Kapitel 3: Zweiter Tag, Nachmittag
- Kapitel 4: Erster Tag, Abend (Rückkehr in die Vergangenheit, zeitgleich mit Kapitel 2)
- Kapitel 5: Zweiter Tag, Nachmittag und Abend (zeitgleich mit Kapitel 3)
- Kapitel 6: Zweiter Tag, Morgen (zeitlich zwischen Kapitel 2 und 3 angesiedelt)
- Letztes Kapitel: Ein Morgen, drei oder vier Tage später
Diese Struktur führt zu einer chronologischen Unordnung, da die Ereignisse nicht in der Reihenfolge ihres Geschehens erzählt werden. Zudem entsteht eine zeitliche Dehnung bzw. Raffung: Cela widmet bestimmten Ereignissen mehr Erzählzeit als anderen, abhängig von ihrer Bedeutung für die Handlung, nicht ihrer tatsächlichen Dauer. Gleichzeitig stattfindende Handlungen müssen zwangsläufig nacheinander erzählt werden (Sukzessivität statt Simultaneität).
Auch der Raum erfährt eine Verkürzung: Cela bildet nicht ganz Madrid ab, sondern konzentriert sich auf die für seine Figuren und Themen relevanten Schauplätze.
Cela stellt die Figuren meist von außen dar, durch Beschreibungen oder Dialoge. Er bedient sich dabei des Perspektivismus, indem er die Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln zeigt, was zu einer scheinbar objektiven Darstellung führt. Dennoch sind detaillierte Beschreibungen und Erzählkommentare häufig. Die Schauplätze werden oft durch skizzenhafte oder detaillierte Szenarien beschrieben. Der Erzähler fungiert als Zeuge (Zeugenerzähler), wobei ein selektiver Objektivismus vorherrscht.
Gesellschaftsbild und Liebe
Der Roman zeichnet das Bild einer Gesellschaft ohne große Ansprüche und Ziele. Die Menschen sind darauf konzentriert, die Zeit totzuschlagen und sich mit kleineren Problemen zu befassen. Es herrscht eine pessimistische Grundstimmung, das Leben wird als wenig erstrebenswert betrachtet.
Frauen werden häufig auf die Rolle als Sexualobjekte reduziert. Echte Liebe zwischen Männern und Frauen scheint kaum zu existieren; Beziehungen sind primär sexueller Natur. Wenn ein Mann eine Frau betrachtet, denkt er weniger an die gemeinsame Zeit als an das sexuelle Vergnügen, das sie ihm bereiten kann. Dies zeigt sich an der Präsenz mehrerer Bordelle im Roman (drei werden erwähnt) und der Untreue vieler Männer, wie Don Roque, der seine Frau betrügt. Auch Singles wie Ventura suchen im Bordell lediglich die Befriedigung ihrer Bedürfnisse ohne romantische Absichten, wie sein Gespräch mit Julia verdeutlicht.
Die wirtschaftliche Not der Nachkriegszeit zwingt viele junge Frauen in die Prostitution, da es für sie oft die einzige Möglichkeit ist, dem Hunger zu entkommen. Manche sind keine professionellen Prostituierten, lassen sich aber von Männern aushalten, um zu überleben.
Die Sprache der Figuren spiegelt ihre soziale Situation wider: Sie versuchen, sich gewählt auszudrücken und die Oberschicht nachzuahmen, etwa durch die Verwendung französischer Wörter (z. B. Don Mario) oder bestimmter Jargons. Trotz dieser Bemühungen verrät ihre Ausdrucksweise oft ihre einfache Herkunft. Es finden sich zahlreiche umgangssprachliche und teils vulgäre Wendungen wie merengao, tritón (‚Molch‘), colilla (‚Kippe‘), pitillo vestido (etwa ‚verkleidete Zigarette‘) oder puñeta (‚verdammt‘).