Plutonomie: Wirtschaftliches Wachstum und Vermögenskonzentration

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Plutonomie

Plutonomie beschreibt wirtschaftliches Wachstum, das von der obersten und reichsten Bevölkerungsschicht getragen und kontrolliert wird.

Inhaltsverzeichnis

  • Begriff
  • Diskussion
  • Trend zu Vermögenskonzentration und Plutonomie
  • Weltvermögensberichte privater Organisationen
  • Weblinks
  • Literatur
  • Einzelnachweise

Begriff

Der Begriff Plutonomie wurde 2005 von einem Team um den Aktienanalysten Ajay Kapur von der US-Bank Citigroup geprägt. Die These beschrieb das starke Wachstum der US-Wirtschaft trotz steigender Leitzinsen, Rohstoffpreise und Staatsschulden.[1] In Anlehnung an Plutokratie setzt sich der Begriff aus den griechischen Wörtern für „Reichtum“ und „Wirtschaft“ zusammen. Plutonomien werden von den Citigroup-Analysten als Ökonomien definiert, „in denen das Wirtschaftswachstum von wenigen Reichen angetrieben und weitgehend konsumiert wird“.[2]

Diskussion

In drei Berichten zur „Plutonomie“ erläuterten die Citigroup-Analysten den Kunden der Bank ihre These, dass der Einkommensanteil der Superreichen in den sogenannten Plutonomien so groß geworden sei, dass wirtschaftliche Entwicklungen ohne Berücksichtigung der finanziellen Situation und des Konsumverhaltens der Superreichen nicht mehr zu verstehen seien. Das Konzept des Durchschnittskonsumenten habe in diesen Ökonomien keine Aussagekraft.[3] Die Citigroup-Analysten sagten voraus, dass sich der Trend zur Plutonomie unter anderem aufgrund wohlmeinender Regierungen fortsetzen werde.[4] Gleichzeitig wiesen sie auf Gefahren für das Plutonomie-Modell hin, wie z.B. politische Veränderungen, die durch die wirtschaftlich weniger bedeutsame Bevölkerungsmehrheit mithilfe ihres Stimmengewichts initiiert werden könnten.[5]

Ulrich Thielemann schrieb 2007 in der Zeitschrift Die Gazette, dass laut einer Studie der Citibank die US-amerikanische Wirtschaft als eine soziale „Plutonomie“ bezeichnet wurde, da sie auf die kleine Gruppe der „Superreichen“ ausgerichtet sei – das reichste eine Prozent der Amerikaner, das 20 Prozent des Sozialprodukts konsumiert und dem der überwiegende Teil des Wachstums der letzten Jahre zugeflossen ist.[6] Die Mittelschicht, die den Großteil der Bevölkerung darstellt, wird von einer immer kleiner werdenden Minderheit der oberen Bevölkerungsschicht kontrolliert. Das wirtschaftliche Wachstum – und damit die Politik – ist vom Wohlwollen dieser kleinen „Gruppe der Superreichen“ abhängig.

In den Plutonomie-Berichten empfahlen Kapur und sein Team Unternehmen, auf die Produktion von Luxusgütern zu setzen, und Investoren, Aktien von Luxusgüterproduzenten zu kaufen. Wer dieser Empfehlung folgte, profitierte: Der internationale Aktienindex für Luxusgüterproduzenten ist seit Mitte 2006 um 145 Prozent gestiegen, trotz Finanzkrise. Der allgemeine Aktienindex MSCI-World gewann im gleichen Zeitraum nur 30 Prozent.[7]

Trend zu Vermögenskonzentration und Plutonomie

Acht Jahre nach der Veröffentlichung der Plutonomie-These erlangte der französische Ökonom Thomas Piketty mit seinem Buch Das Kapital im 21. Jahrhundert weltweite Bekanntheit. Darin belegt und analysiert er einen starken langfristigen Trend zur Vermögenskonzentration. Einige Ökonomen bestritten Pikettys Thesen. In dieser Diskussion meldete sich 2014 Ajay Kapur, der Urheber der mit Pikettys Thesen eng verwandten Plutonomie-These, erneut zu Wort. In einer Studie für seinen neuen Arbeitgeber Bank of America Merrill Lynch, einen der größten Vermögensverwalter der Welt, verteidigten Kapur und sein Team Piketty gegen seine Kritiker. „Die Kräfte, die den Trend zur Plutonomie befeuern, gewinnen alle an Kraft“, schreiben sie in der Studie mit dem Titel „Piketty and Plutonomy: The Revenge of Inequality“. Langfristig seien die Treiber der weiteren Vermögenskonzentration, darunter Globalisierung und kapitalismusfreundliche Regierungen, intakt. Kurzfristig sehen Kapur und sein Team jedoch Potenzial für Rückschläge, unter anderem durch das Zurückfahren der Wertpapierkäufe der US-Notenbank und durch Antikorruptionsinitiativen, wie in China oder Indien.[8]

Weltvermögensberichte privater Organisationen

Der Weltreichtumsreport der Unternehmensberatung Boston Consulting Group (BCG) vom 9. Juni 2014 zeigt, dass das liquide Vermögen der Superreichen, die von Vermögensverwaltern als Ultra-High-Net-Worth-Haushalte (UHNW) bezeichnet werden, im Jahr 2013 um 20 Prozent gestiegen ist. Laut BCG gehören weltweit nur rund 15.000 Haushalte zu dieser Gruppe und kontrollieren bereits 5,5 Prozent des Welt-Finanzvermögens. In Deutschland leben der Studie zufolge 881 dieser Haushalte, etwas weniger als in China und Großbritannien. In den USA leben fast 5.000. Immobilien und andere illiquide Anlagen werden in der BCG-Statistik nicht berücksichtigt. Der Trend zur Vermögenskonzentration soll sich laut BCG fortsetzen. Während das Vermögen der Nicht-Finanzmillionäre in den nächsten fünf Jahren nur um 3,7 Prozent pro Jahr steigen soll, wird für die Mega-Reichen ein Anstieg von 9,1 Prozent pro Jahr prognostiziert. Ihr Anteil am Finanzvermögen würde damit auf 6,5 Prozent steigen.[9]

Der Global Wealth Report der Schweizer Großbank Credit Suisse vom 14. Oktober 2014 bestätigt diesen Trend.[10] Ein Vergleich mit dem Report von 2010 zeigt eine weitere Konzentration der Vermögen an der Spitze.[11] Kontrollierte das oberste Prozent der Reichen 2010 noch 43 Prozent des weltweiten Finanz- und Immobilienvermögens, waren es Mitte 2014 bereits 48,2 Prozent. Der Anteil der obersten 90 bis 99 Prozent sank leicht von 40 auf 39 Prozent. Der Anteil der oberen 50 bis 90 Prozent schrumpfte von 16 auf 12 Prozent, während die untere Hälfte weiterhin weniger als ein Prozent besaß. Benötigte man 2010 noch ein Nettovermögen von 4.000 Dollar, um zur oberen Hälfte zu gehören, reichten 2014 trotz Geldwertverlust 3.650 Dollar. Umgekehrt musste man 2014 mit knapp 800.000 Dollar über ein Drittel mehr aufweisen, um zum obersten Prozent zu gehören. Im Gegensatz zu anderen Reichtumsberichten bezieht Credit Suisse neben dem liquiden Finanzvermögen auch das Immobilienvermögen in die Analyse ein. Trotz dieses umfassenderen Vermögensmaßstabs ist ein fortgesetzter Trend zur Vermögenskonzentration erkennbar. Ein wichtiger Treiber dafür war laut Studie die gute Aktienkursentwicklung und indirekt die lockere Geldpolitik, insbesondere der US-Notenbank.

Weblinks

Literatur

  • Kapur, Ajay, Niall Macleod, Narendra Singh: “Plutonomy: Buying Luxury, Explaining Global Imbalances”, Citigroup, Equity Strategy, Industry Note:, 16. Oktober 2005.
  • Kapur, Ajay, Niall Macleod, Narendra Singh: “Revisiting Plutonomy: The Rich Getting Richer”, Citigroup, Equity Strategy, Industry Note:, 5. März 2006.
  • Kapur, Ajay et al.: “The Plutonomy Symposium – Rising Tides Lifting Yachts”, Citigroup, Equity Strategy, The Global Investigator, 29. September 2006.
  • Kapur, Ajay, Ritesh Samadhiya und Umesha de Silva: “Piketty and Plutonomy: The Revenge of Inequality”, Equity Strategy | Global Emerging Markets, Bank of America Merrill Lynch, 30. Mai 2014.

Einzelnachweise

  1. Wallstreet Online
  2. Kapur, Ajay, Niall Macleod, Narendra Singh: Plutonomy: Buying Luxury, Explaining Global Imbalances. S. 1: We will posit that the world is dividing into two blocs – the plutonomies, where economic growth is powered by and largely consumed by the wealthy few - and the rest.
  3. Kapur, Ajay et al.: “The Plutonomy Symposium – Rising Tides Lifting Yachts”, Seite 8: “There are certain economies, driven by massive income and wealth inequality – plutonomies – where the rich are so rich that their behavior – be it negative savings, or just very low consumption of oil as a % of their income – overwhelms that of the ‘average’ consumer.”
  4. Kapur, Ajay, Niall Macleod, Narendra Singh: “Plutonomy: Buying Luxury, Explaining Global Imbalances”, Seite 9f listet als Punkt zwei von sechs Gründen: “capitalist-friendly governments and tax regimes”.
  5. Kapur, Ajay, Niall Macleod, Narendra Singh: “Revisiting Plutonomy: The Rich Getting Richer”, Seite 10: “Political enfranchisement remains as was – one person, one vote. At some point it is likely that labor will fight back against the rising profit share of the rich and there will be a political backlash against the rising wealth of the rich.”
  6. Die Gazette
  7. Handelsblatt Nr. 109 vom 10. Juni 2014 Seite 34.
  8. Ajay, Kapur, Ritesh Samadhiya und Umesha de Silva: “Piketty and Plutonomy: The Revenge of Inequality”, Equity Strategy | Global Emerging Markets, Bank of America Merrill Lynch, 30. Mai 2014
  9. BCG: Global Wealth 2014, Riding a Wave of Growth, The Boston Consulting Group, 9. Juni 2014
  10. Credit Suisse Institute: Global Wealth Report 2014
  11. Credit Suisse Institute: Global Wealth Report 2010

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